Eine Woche lang immer in Windrichtung
03.06.2025 - 07.06.2025
Als Vorbereitung auf die diesjährige Donau-Tour möchte ich zusammen mit meinem Vater eine Warm-Up Runde machen. Es mag vielleicht etwas unsportlich erscheinen, sich die besten Bedingungen auszusuchen, dennoch möchte ich es gern mal machen und meine Erfahrungen hier teilen. Bei der Deutschland-Umrundung letztes Jahr hatte ich die ersten Tage ziemlich mit Gegenwind zu kämpfen und da entstand die Idee, sich einfach mal vom Wind treiben zu lassen.
Der Start wird in Blankenburg (Harz) sein. Ab diesem Moment ist alles offen. Der Wind bestimmt die Richtung. Von Tag zu Tag werden wir neu entscheiden, wohin uns die Tagesetappe führt. Gebirge werden selbstverständlich nicht ausgespart, wenn sie auf dem Weg liegen.
Ein festes Ziel gibt es aufgrund der Unvorhersehbarkeit nicht. Der Rückweg soll per FlixBus oder Bahn erfolgen. Als zeitliche Grenze setzen wir uns den 08.06.2025. Schauen wir mal, wo es uns hin treibt!
Gefahrene km (gesamt): 553
Höhenmeter (gesamt): 2.483
Durchschnitt inkl. Pausen: 16,4 km/h
Zeit im Sattel: 26 Stunden
Reifenpannen: 0
Liter getrunken: 6
Bananen-Zähler: 0
Verschluckte Insekten: 1
Umgefallene Beifahrer 2 (einmal nach rechts, einmal nach links)
Von Blankenburg (Harz) nach Rogätz, 121 km, 570 Hm
Die erste Etappe ist geschafft! So gemütlich wie das Motto, war auch der Start erst um 9 Uhr in Blankenburg. Ab dann ging es nordöstlich auf Landstraßen und Feldwegen entlang, auf bekannten, aber auch neuen Wegen. Durch den Berufsverkehr waren die Landstraßen leider teils gut befahren und etwas stressig für mich. Eine Erfahrung, die die Planung der nächsten Etappen sicher beeinflussen wird.
Bei strahlendem Sonnenschein und leichtem Rückenwind radelten sich die ersten Kilometer aber leicht runter. Wenngleich wir zu berücksichtigen hatten, dass wir beide dieses Jahr jeweils nicht mehr als 65 km am Stück gefahren sind. Und das merkten wir spätestens bei der Pause nach 80 km. Ein Salatteller brachte uns wieder neue Energie in die Beine und das heutige Tagesziel wurde festgelegt. Eigentlich wollten wir in einer Jugendherberge übernachten, aber die nächste auf der Strecke hatte keine Betten mehr frei. Als Alternative bot sich das La Porte direkt an dem Weg an. Bis knapp hinter Rogätz sollte es also gehen, in eine Ferienanlage (ehemaliges Pionierferienlager) mitten im Wald.
Die verbleibenden 40 km bis dort hin waren wieder entspannter und verliefen weitestgehend auf dem Elbe-Radweg. Bekanntes Terrain ;)
Viel weiter hätte es aber auch nicht gehen dürfen, trotz Rückenwinds waren wir ziemlich fertig und letztendlich froh, die Unterkunft erreicht zu haben. Nun folgt ein verdientes Mahl und die Planung für morgen. Leichter Regen ist vorhergesagt, aber keiner, der uns aufhalten könnte :)
Von Rogätz nach Pritzwalk, 112 km, 430 Hm
Nach einer sehr ruhigen Nacht und einem ausgiebigen Frühstück im Wald ging es heute etwas früher auf die nächste Etappe. Sonnenschein und ein ordentlicher Schub Rückenwind brachten uns schnell in Fahrt und ließen die ersten Kilometer, auf dem Damm entlang der Elbe, rasch verstreichen. Vogelgezwitscher und das wunderschöne Städtchen Tangerhütte versüßten die Fahrt zusätzlich.
Und auch heute hatte ich wieder einige bekannte Abschnitte aus vergangenen Touren unter den rauschenden Reifen. Sowohl eine Elbe-Fahrt, als auch eine Fahrt nach Rügen führten mich bereits hier entlang.
Auf einigen Landstraßen haben wir mit teils über 30 km/h im Schnitt ordentlich Strecke machen können. Doch bei der Fährfahrt in Sandau trübte sich das Wetter beim Blick zurück. Denn dort zogen dunkle Wolken auf und der Blick ins Regenradar bestätigte es uns: wir waren zu langsam - das drohende Unheil sollte uns einholen. Nach den ersten paar Tropfen wandelte es sich zu einem Schauer. Höchste Zeit, die Regensachen anzuziehen. Kaum bereit für die Weiterfahrt, hörte es auch wieder auf, was unseren gegenseitigen Spott anheizte.
Der weitere Streckenverlauf ging durch unerwartet enge, sandige und stark zugewachsene Waldwege, was mich an vergangene Touren erinnerte, die in einem Meer von Brennnesseln endete. Doch heute hatten wir Glück und es fing lediglich wieder an zu regnen. Die sandigen Wege waren aufgeweicht, Pfützen bildeten sich, aber wir kamen voran, bis ich eine Pause machen musste, um zu essen, weil die zusätzliche Anstrengung und der kühlende Regen mir mehr Energie entzog.
Die nächsten zwei Stunden sollte es laut Niederschlagsradar weiter regnen. Also buchten wir eine Unterkunft in erreichbarer Umgebung, noch 20 km zu fahren. Um nicht auszukühlen und den Wiedereinstieg dadurch zu erschweren, sind wir nach ein paar Minuten weitergefahren. Die Schuhe sind inzwischen durchgeweicht, aber das Fahren hält warm.
Angekommen in Pritzwalk haben wir uns einen Döner genehmigt und noch ein paar Bier für die Unterkunft mitgenommen. Und so klingt der Abend nun bei wieder bestem Sommerwetter aus.
Von Pritzwalk nach Teterow, 92 km, 470 Hm
Bereits in der Nacht zeichnete sich ab, was das Wetter heute zu bieten haben sollte. Zwei mal erwachte ich durch das Prasseln des Regens auf das Bungalowdach. Gut, dachte ich mir, was bereits in der Nacht abregnet, kann am Tage nicht mehr uns betreffen. Also Augen zu und abwarten.
Der Wecker klingelt, das Wetter passt, also Sachen packen und los. Pünktlich zur Abfahrt setzte erneut Regen ein und begleitete uns die ersten 60 Kilometer. Wenigstens kein Gegenwind, der die Stimmung vermiesen hätte können ;) Und so radelten wir mit dem Wasser des Vortags in den Schuhen der bereits gebuchten Jugendherberge in Teterow entgegen.
Irgendwie hatten wir bei der Planung der heutigen Tour vergessen, darauf zu achten, die Route an Radwegen zu orientieren. Einerseits führte sie dadurch leider auf einigen gut befahrenen Straßen entlang, andererseits sind wir nicht, wie am Vortag, in sandigen Waldwegen versunken. Dieser Umstand hatte unseren Schnitt wieder in Richtung 17 km/h gehoben.
Nach dem bereits zweiten Umkippen meines Vaters (Pedalen eingeklickt, gestern einer und heute an einer roten Ampel), kam die Idee von ihm, diese doch in die Statistik aufzunehmen. Wirklich rücksichtsvoll von ihm! Leider scheint er bei der Akrobatik so geübt zu sein, dass ich es nicht schaffte, rechtzeitig ein Bild davon zu machen, bevor er wieder aufgestanden ist. ;)
30 km vor dem Ziel haben wir uns in Krakow am See noch eine Stärkung gegönnt und da kam doch tatsächlich noch ein Hauch Sonne hervor und warf einen trüben Schatten auf den Boden. Es sind manchmal die kleinen Dinge, die einem ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
Weiter ging es trocken bis zu der Zieleinfahrt, eine Jugendherberge, in der ich bereits vor einigen Jahren übernachtet hatte. Obwohl wir schon gegen Mittag ankamen, wurden wir herzlich empfangen. Ein kurzes Nickerchen noch, bevor es zur Abendverpflegung, mit Umweg über die Halbinsel im Teterower See, ging. Hier haben wir ein lauschiges Fleckchen gefunden und schauen auf den See, beobachten tauchende Enten, vorbeiziehende Bootsfahrer und lauschen den Klängen der Natur bei einem Bier, währen ich diese Zeilen schreibe. Wären hier nicht die Mücken, die offenbar lange keine Menschen mehr gesehen haben ;)
Prost!
Von Teterow nach Bergen (Rügen), 113 km, 491 Hm
Der gestrige Abend und die Nacht in der Jugendherberge verliefen recht entspannt. Nachts waren einige Schauer wahrzunehmen, ansonsten war es ein sehr ruhiges Fleckchen. Der morgendliche Blick aus dem Fenster, nach dem reichhaltigen Frühstück, verleitete uns, direkt die Regensachen anzuziehen. Ein kurzer Weg zum nächstgelegenen Supermarkt, um Proviant nachzufüllen, und schon ging es weiter. Aufgrund des Freitags ging es weiter auf effizient genutzten Straßen. Leider weit und breit kein Radweg, aber zumindest hielten die meisten KFZ-Fahrer gebührenden Abstand.
Wenig spektakulär ging es meistens weiter auf gut asphaltierten Landstraßen, bis wir endlich von den Hauptverkehrsadern auf einen angenehm zu fahrenden Radweg geführt wurden. Scheinbar eine alte Bahnlinie, die umgewidmet wurde.
Der starke Rückenwind drückte uns förmlich die leichten Anhöhen hinauf und Waldwege hatten den Effekt eines Windkanals. Naja, fast ;) Doch der Wind hatte heute auch immer eine tückische Komponente: Regenfronten, die sich von hinten her anpirschten. Zum Glück waren wir technisch gewappnet und konnten gut abschätzen, wann wir kräftig in die Pedale treten mussten oder eine sichere Hütte die bessere Wahl war.
Gegen Mittag erreichten wir Stralsund bei bestem Radelwetter. Ein kurzer Blick rüber auf die Rügenbrücke musste reichen, ein paar Fotos in der Fahrt, denn die Räder rollten gerade. Anhalten wäre doch nur Zeitverschwendung ;)
Noch 30 km bis zur Unterkunft, die uns aber noch einiges abverlangte, weil sich hinter uns ein dunkler Wolkenberg auftürmte. Wir hätten es fast geschafft, doch knapp 5 km vor der nächsten Unterkunft in Bergen hatten wir sicherheitshalber doch noch den Schutz einer Eisenbahnbrücke in Anspruch genommen. Der kleine Schauer zog vorüber und die Reise konnte fortgesetzt werden.
In Bergen waren wir ziemlich froh, mit den Rädern unterwegs zu sein. Bereits am Ortseingang staute sich der Verkehr der Pfingsturlauber und wir konnten einfach an dem Stau vorbeifahren.
Erschöpft, aber zufrieden mit dem Verlauf der Tour bis hier her checkten wir in das Hotel ein und genießen nun den Abend.
Von Bergen (Rügen) über Kap Arkona nach Stralsund, 114 km, 522 Hm
Nach einer ruhigen Nacht und einem üppigen Frühstück ging es heute auf die letzte Etappe hoch zum Kap Arkona.
Ich muss gestehen, wir haben bei der Planung etwas geschummelt. Bereits vor zwei Tagen haben wir festgestellt, dass uns der Wind Richtung Rügen tragen wird. Das Kap wäre da nur ein lohnendes Ziel.
Der morgendliche Blick aus dem Frühstücksfenster ließ wieder einen regnerischen Start erahnen, doch als wir das Gepäck auf den Rädern verladen hatten, klarte es auf und wir konnten einige Zeit trocken radeln. Der heutige Tag war aber davon geprägt, regelmäßig auf das Niederschlagsradar zu schauen um einzuschätzen, wann wir uns einen Unterschlupf suchen oder die regensichere Kleidung überstreifen sollten.
Die Kilometer strampelten sich so dahin und sicher war auch ein gewisser Ehrgeiz geweckt, schließlich war das ersehnte Ziel in so greifbare Nähe gerückt. Nach dem asphaltierten, aber wurzeldurchzogenen langen Stück die Schaabe (Landenge hoch zum nördlichsten Zipfel Rügens) hinauf und dem kurzen Weg durch das Fischerdorf Vitt frohlockte der eine oder andere Aussichtspunkt hinüber auf den bereits sichtbaren Leuchtturm. Das Wetter war durchwachsen, die Stunde früh, was den gemeinen Besucher wohl noch von der Wanderung abhielt und uns freie Fahrt bescherte.
Anders als bei meiner ersten Fahrt hier her, sind wir dieses Mal auch die letzten paar hundert Meter bis zur Steilklippe gefahren, um dort das Beweisfoto zu schießen. Am Leuchtturm wurde dann noch das eine oder andere Souvenir gekauft, einem Hochzeitspaar bei der Zeremonie zugeschaut (jeder macht mal Fehler ;) ) und dann noch genüsslich ein Kaffee geschlürft. Und so endete unsere Tour hier.
Natürlich nicht ;) Denn es war schwer, von hier aus wieder in Richtung Heimat (ohne Muskelkraft) zu gelangen. Und so haben wir uns bereits vor zwei Tagen für einen FlixBus entschieden, der aber nur von Stralsund aus nach Magdeburg fährt. Über Dresden. Mit 13 Stunden Fahrzeit. Aber immer noch besser, als sich darauf zu verlassen, die Räder in der Bahn mitnehmen zu können. Man hört da ja so einiges.
Kurzum, die Strecke für heute stand bereits fest. Von Bergen auf Rügen über die Schaabe zum Kap Arkona und dann westlich wieder runter nach Stralsund. Es war also noch nicht zu Ende.
Ein weiterer Blick ins Radar offenbarte uns, wir sollten zügig aufbrechen, denn in einigen Stunden bahnte sich Regen bei Stralsund an. Nur richtete sich die Eile nun gegen den Wind, was zu dem einen oder anderen Hungerast führte.
Und so radelten wir im Wechsel zwischen Sonne und leichtem Regen zurück nach Westen. Kurz vor Stralsund türmte sich erneut eine tiefschwarze Wolke auf, die bereits einen Vorhang des Niederschlags mit sich führte. Just auf der Brücke zum Festland kreuzte sie unseren Weg. Nur ein kleiner Ausläufer, Glück gehabt.
Von wegen, 4 km vor der Jugendherberge kam erst ein kurzer Schauer, dann ein weiterer Wolkenbruch des Grauens. Dieser ließ unsere gerade vollständig getrockneten Schuhe wieder in kleine Aquarien verwandeln.
Doch weder die nassen Schuhe, noch die vom Sand knirschenden Ketten konnten unseren Zieleinlauf verhindern. Wir haben es geschafft! Vom Winde verweht vom Harz bis in den nördlichsten Zipfel der ehemaligen DDR auf zwei Rädern, ganz ohne Strom. Das war eine tolle Tour, die uns sicher noch einige Zeit in Erinnerung bleiben wird.